Psychosomatik
II
Vgl. Broschmann, Fuchs (2019)
Das „Bio-psycho-soziale Modell“ von Gesundheit und Krankheit geht von einem integrativen Ansatz aus, der Krankheit nicht rein mechanistisch, sondern als Störung der Interaktion von körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren versteht. Menschen sind soziale Wesen, die bereits auf einer zwischenleiblichen Ebene des unmittelbaren Ausdrucksverstehens miteinander verbunden sind. Die „Zwischenleiblichkeit“, die unserer Leiberfahrung eingeschrieben ist, prägt unsere sozialen Beziehungen noch ehe wir uns Gedanken über unser Gegenüber machen oder bestimmte Beweggründe seines Verhaltens unterstellen. Diese „Zwischenleiblichkeit“ hat also auf der psychischen Ebene sowie auf der sozialen Ebene eine wesentliche Bedeutung.
Insbesondere die Konzepte der Zwischenleiblichkeit sowie des Leibgedächtnisses ermöglichen es, unbewusste, aber nichtverdrängte Dynamiken aus einer verkörperten Perspektive zu reflektieren. Differenziert wird dabei zwischen den Phänomenen des leiblichen Ausdrucks, der leiblichen Präsenz, der zwischenleiblichen Resonanz und Synchronizität sowie der zwischenleiblichen Nähe.
Zwischenleiblichkeit und Leibgedächtnis können somit als Strukturen beschrieben werden, die die verkörperte Geschichte ebenso wie die gegenwärtigen Beziehungsformen des Patienten in der therapeutischen Praxis erfassen lassen. Aus dieser Sicht findet sich das Unbewusste nicht mehr nur in einem psychischen Binnenraum des Patienten, sondern auch im therapeutischen Interaktionsprozess, an dem beide Partner mit ihren leiblichen Vorerfahrungen teilnehmen und in dem sie gemeinsam Bedeutungen erzeugen.
Der Austausch von Blicken, der mimische und gestische Ausdruck ebenso wie die Intonation und Prosodie unserer Sprache erzeugen eine zwischenleibliche Resonanz und ermöglichen damit eine vorsprachliche, präreflexive Form der Empathie. Ebenso gehören dazu Phänomene der unwillkürlichen, vorbewussten Sympathie oder Antipathie, des Vertrauens oder Misstrauens. Freilich ist es uns meist nicht bewusst, wie selbstverständlich wir leiblich mit- einander umgehen, und dies ist auch oft überlagert durch unsere Reflexion über uns selbst und andere. Die Leibphänomenologie und neuere psychodynamischen Theorien haben gemeinsam die Auffassung, dass soziale Interaktion eben nicht nur als explizite Leistungen zu begreifen sind, sondern dass unser implizites körperliches Wissen bereits ein vorsprachliches Verstehen ermöglicht.
In der Psychotherapie bekommt die Resonanz im Zuge der Übertragung und Gegenübertragung einen besonderen Stellenwert. Da auf der zwischenleiblichen Ebene mehr geschieht als das bloße Gesagte kann die eigene leibliche Gegenübertragung als ein Resonanzorgan für das „horizontal Unbewusste“ des Patienten dienen. Oft spüren PsychotherapeutInnen intuitiv bereits in der ersten Sitzung, um welche Beziehungsmuster es in der Therapie gehen oder ob es zu Schwierigkeiten kommen wird. Die im Leibgedächtnis verankerten Verhaltensdispositive haben die Tendenz, sich in der therapeutischen Situation als leibliche Übertragung und Gegenübertragung oder als zwischenleibliche Resonanz zu aktualisieren. Daher ist der Blick auf die zwischenleiblichen Phänomene in der Therapie von zentraler Bedeutung.
Synchronizität bedeutet im therapeutischen Kontext, dass sich zwei Personen mit ihren jeweiligen Eigenheiten auch zeitlich aufeinander abstimmen. Es hat sich gezeigt, dass ein hohes Maß an Bewegungssynchronie mit einem positiven Affekt einhergeht.
Mithilfe der Motion Energy Analysis konnten Ramseyer und Tschacher (2011) sogar eine Korrelation der Synchronie mit der Beziehungsqualität, dem Bindungsstil und dem Therapieerfolg, gemessen in Symptomreduktion und Selbstwirksamkeit, feststellen.
Wie bereits angedeutet haben im Gesprächsverlauf implizite, nonverbale als auch verbale Verhaltensweisen (Gestik, Mimik, Prosodie der Stimme, Pausen etc.) einen mindestens genauso großen Stellenwert wie der explizite Inhalt des Gesagten. Es geht um die Wahrnehmung des gesamten „Handlungsdialoges“ (Klüwer 1995) oder der „Szene“ (Argelander 1966), in die Therapeutinnen und PatientInnen auch auf einer impliziten Ebene miteinander verstrickt sind.
Es wird davon ausgegangen, dass Intersubjektivität schon in den ersten Lebensmonaten, in gewisser Weise schon in der Schwangerschaft besteht, in der sich erste leibliche Resonanzen zwischen Mutter und Fetus entwickeln. Aus Sicht der Leibphänomenologie muss nicht erst eine Lücke zwischen einem Subjekt und anderem Subjekt überbrückt werden, da Menschen immer schon miteinander verbunden und verstrickt sind. Dies stellt einen Brückenschlag zwischen Psychoanalyse und Leibphänomenologie dar.
Literaturverzeichnis
Broschmann D., Fuchs T. (2019): Zwischenleiblichkeit in der psychodynamischen Psychotherapie. Ansatz zu einem verkörperten Verständnis von Intersubjektivität. Springer. Medizin Verlag. Göttingen.
Psychosomatik
II
Vgl. Broschmann, Fuchs (2019)
Das „Bio-psycho-soziale Modell“ von Gesundheit und Krankheit geht von einem integrativen Ansatz aus, der Krankheit nicht rein mechanistisch, sondern als Störung der Interaktion von körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren versteht. Menschen sind soziale Wesen, die bereits auf einer zwischenleiblichen Ebene des unmittelbaren Ausdrucksverstehens miteinander verbunden sind. Die „Zwischenleiblichkeit“, die unserer Leiberfahrung eingeschrieben ist, prägt unsere sozialen Beziehungen noch ehe wir uns Gedanken über unser Gegenüber machen oder bestimmte Beweggründe seines Verhaltens unterstellen. Diese „Zwischenleiblichkeit“ hat also auf der psychischen Ebene sowie auf der sozialen Ebene eine wesentliche Bedeutung.
Insbesondere die Konzepte der Zwischenleiblichkeit sowie des Leibgedächtnisses ermöglichen es, unbewusste, aber nichtverdrängte Dynamiken aus einer verkörperten Perspektive zu reflektieren. Differenziert wird dabei zwischen den Phänomenen des leiblichen Ausdrucks, der leiblichen Präsenz, der zwischenleiblichen Resonanz und Synchronizität sowie der zwischenleiblichen Nähe.
Zwischenleiblichkeit und Leibgedächtnis können somit als Strukturen beschrieben werden, die die verkörperte Geschichte ebenso wie die gegenwärtigen Beziehungsformen des Patienten in der therapeutischen Praxis erfassen lassen. Aus dieser Sicht findet sich das Unbewusste nicht mehr nur in einem psychischen Binnenraum des Patienten, sondern auch im therapeutischen Interaktionsprozess, an dem beide Partner mit ihren leiblichen Vorerfahrungen teilnehmen und in dem sie gemeinsam Bedeutungen erzeugen.
Der Austausch von Blicken, der mimische und gestische Ausdruck ebenso wie die Intonation und Prosodie unserer Sprache erzeugen eine zwischenleibliche Resonanz und ermöglichen damit eine vorsprachliche, präreflexive Form der Empathie. Ebenso gehören dazu Phänomene der unwillkürlichen, vorbewussten Sympathie oder Antipathie, des Vertrauens oder Misstrauens. Freilich ist es uns meist nicht bewusst, wie selbstverständlich wir leiblich mit- einander umgehen, und dies ist auch oft überlagert durch unsere Reflexion über uns selbst und andere. Die Leibphänomenologie und neuere psychodynamischen Theorien haben gemeinsam die Auffassung, dass soziale Interaktion eben nicht nur als explizite Leistungen zu begreifen sind, sondern dass unser implizites körperliches Wissen bereits ein vorsprachliches Verstehen ermöglicht.
In der Psychotherapie bekommt die Resonanz im Zuge der Übertragung und Gegenübertragung einen besonderen Stellenwert. Da auf der zwischenleiblichen Ebene mehr geschieht als das bloße Gesagte kann die eigene leibliche Gegenübertragung als ein Resonanzorgan für das „horizontal Unbewusste“ des Patienten dienen. Oft spüren PsychotherapeutInnen intuitiv bereits in der ersten Sitzung, um welche Beziehungsmuster es in der Therapie gehen oder ob es zu Schwierigkeiten kommen wird. Die im Leibgedächtnis verankerten Verhaltensdispositive haben die Tendenz, sich in der therapeutischen Situation als leibliche Übertragung und Gegenübertragung oder als zwischenleibliche Resonanz zu aktualisieren. Daher ist der Blick auf die zwischenleiblichen Phänomene in der Therapie von zentraler Bedeutung.
Synchronizität bedeutet im therapeutischen Kontext, dass sich zwei Personen mit ihren jeweiligen Eigenheiten auch zeitlich aufeinander abstimmen. Es hat sich gezeigt, dass ein hohes Maß an Bewegungssynchronie mit einem positiven Affekt einhergeht.
Mithilfe der Motion Energy Analysis konnten Ramseyer und Tschacher (2011) sogar eine Korrelation der Synchronie mit der Beziehungsqualität, dem Bindungsstil und dem Therapieerfolg, gemessen in Symptomreduktion und Selbstwirksamkeit, feststellen.
Wie bereits angedeutet haben im Gesprächsverlauf implizite, nonverbale als auch verbale Verhaltensweisen (Gestik, Mimik, Prosodie der Stimme, Pausen etc.) einen mindestens genauso großen Stellenwert wie der explizite Inhalt des Gesagten. Es geht um die Wahrnehmung des gesamten „Handlungsdialoges“ (Klüwer 1995) oder der „Szene“ (Argelander 1966), in die Therapeutinnen und PatientInnen auch auf einer impliziten Ebene miteinander verstrickt sind.
Es wird davon ausgegangen, dass Intersubjektivität schon in den ersten Lebensmonaten, in gewisser Weise schon in der Schwangerschaft besteht, in der sich erste leibliche Resonanzen zwischen Mutter und Fetus entwickeln. Aus Sicht der Leibphänomenologie muss nicht erst eine Lücke zwischen einem Subjekt und anderem Subjekt überbrückt werden, da Menschen immer schon miteinander verbunden und verstrickt sind. Dies stellt einen Brückenschlag zwischen Psychoanalyse und Leibphänomenologie dar.
Literaturverzeichnis
Broschmann D., Fuchs T. (2019): Zwischenleiblichkeit in der psychodynamischen Psychotherapie. Ansatz zu einem verkörperten Verständnis von Intersubjektivität. Springer. Medizin Verlag. Göttingen.