Gegenübertragung
Im Folgenden möchte ich in einer kurzen Abhandlung das Konzept der Gegenübertragung darstellen und knapp umreißen. Zugunsten der Lesbarkeit verzichte ich im Text auf die Formulierung beider Geschlechter und werde die männliche und weibliche Form abwechselnd verwenden, wobei immer beide Varianten gemeint sind.
Es ist unumgänglich, dass in jeder Begegnung Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomene stattfinden. Abseits der Therapie finden sie in jeder Lebenslage und in allen Beziehungen ihren Ausdruck. Diese Vorgänge sind unserem Bewusstsein vorrangig nicht zugänglich und laufen prinzipiell unbewusst ab. Darum können sie nie vollständig abgebildet werden. Sie sind quasi Zeichen und Hinweise aus unserer inneren Wahrnehmung, die es zu erforschen gilt und im therapeutischen Kontext von besonderer Bedeutung sind. Obwohl der Begriff der „Gegenübertragung“ somit als Phänomen nur begrenzt erschlossen werden kann und auch nicht vollständig abgegrenzt werden kann, so lässt er sich zumindest gut beschreiben: Kurzgefasst stellt die Gegenübertragung die Gesamtheit der unbewussten Reaktionen der Therapeutin auf den Patienten und insbesondere dessen Übertragung dar. Mit Gegenübertragung ist also vor allem die Reaktion der Therapeutin auf die Übertragung des Patienten gemeint. Es handelt sich hierbei um die emotionale Antwort und damit wiederum um das Richten der eigenen Gefühle, Vorurteile, Erwartungen und Wünsche auf den Patienten. In der Therapie kann die Gegenübertragung als einzigartiges therapeutisches Werkzeug verstanden und genutzt werden.
In der Geschichte der Psychoanalyse wusste Sigmund Freud sehr bald um die Bedeutung der Übertragung und Gegenübertragung. In seinen technischen Schriften spricht er dabei die zentralen Eckpfeiler der Psychoanalyse an: die Analyse des Widerstandes, die Analyse der Übertragung und die freie Assoziation.
In der psychoanalytischen Behandlung nennt man alles was sich dem Zugang des Unbewussten entgegenstellt „Widerstand“, bezogen auf die Handlungen und Worte des Analysanden. Freud hat hier auch von Widerstand gegen die Psychoanalyse gesprochen und so die Oppositionshaltung gegen deren Entdeckungen verdeutlicht. Im Verlauf der Geschichte hat er auf die anfängliche Technik der Hypnose und Suggestion vor allem deshalb verzichtet, weil ihm der Widerstand gegen diese Methoden einerseits legitim erschien und auch weil er dadurch weder gedeutet noch überwunden werden konnte. Somit war kein Fortschreiten in der Behandlung möglich. Freud versuchte vorerst den Gegenspieler zum Widerstand einzusetzen. Einerseits mit dem Versuch der Beharrlichkeit und andererseits versuchte er den Widerstand durch Überredung zu überwinden, bevor er erkannte, dass er mit der Analyse des Widerstandes einen Zugang zum Verdrängten und zum Geheimnis der Neurose bekommen konnte. Mit Hilfe der freien Assoziation als technisches Mittel soll der Zugang zum Unbewussten erforscht werden. Die Analyse der Übertragung und Gegenübertragung ist dabei von entscheidender Bedeutung, da es uns etwas über das Gegenüber verrät. Die verinnerlichte, aber unbewusst gewordene Vergangenheit des Patienten wird in der Beziehung wieder lebendig und sichtbar.
Um darauf ausführlich einzugehen, möchte ich noch etwas ausholen und dieses zentrale behandlungstechnische Konzept näher beleuchten. Dabei darf auch der Begriff der Übertragung selbstverständlich nicht ohne Erläuterung bleiben. Das eine lässt sich nicht ohne das andere denken und muss somit in angemessener Weise Beachtung finden. Denn bevor es zu einer Gegenübertragung kommt, überträgt das Gegenüber die Muster der verinnerlichten Beziehungserfahrungen aus früheren Zeiten auf die neue, aktuelle soziale Situation (Übertragung). So wird unausweichlich jede Beziehung zu einem anderen von diesen früheren Beziehungsmustern geprägt und mitgestaltet und dies in einer meist völlig unbewussten Art und Weise.
Das bedeutet vor allem, dass es sich in der Therapie um einen dynamischen und emotionalen Prozess handelt, an dem Therapeutin und Patient beteiligt sind. Dieser Prozess ist immer in eine sehr individuelle und einmalige Beziehung eingebettet. Die psychoanalytische Theorie und Methode, sowie deren Konzepte können somit nur situationsbedingt angewendet werden und dienen als Orientierungshilfe im Fluss der emotionalen Bewegung, die die Übertragungsentwicklung kennzeichnet.
Wichtig zu verstehen ist dabei, dass psychoanalytisches Denken dialektisch ist, Widersprüche einschließt und sie nicht aufheben will. Es geht nicht um das Erreichen eines Ziels, sondern viel mehr um die Erweiterung eines Erlebnisbereichs. Hierbei ist die Lehranalyse bzw. Lehrtherapie in der Ausbildung zur psychoanalytisch orientierten Psychotherapeutin von wesentlicher Bedeutung. Durch die Erfahrung und das Durcharbeiten der eigenen vorhandenen Konflikte, Widersprüche, Themen, Wünsche und die zahlreichen anderen unbewussten Vorgänge, können eigene Anteile und Beziehungsannahmen bewusst gemacht werden und in angemessener Art und Weise reflektiert werden. Es ist ebenso eine Erfahrung der Begrenztheit, der Beschränkung auf Weniges, das veränderbar ist.
„Wenn ich mich als Analytiker [psychoanalytisch orientierter Psychotherapeut] so einstelle, als ob ich dem Analysanden [Patienten] konfliktfrei gegenübertreten könne, während der Analysand [Patient], im Gegensatz zu mir und infolge seiner Neurose, voller Konflikte erscheint, ist es um die Dynamik geschehen“ (Morgenthaler, 1991).
Folglich kann sich weder der Patient noch der Psychotherapeut dem Einfluss des Gegenübers gänzlich entziehen. In gleicher Weise ist es unabdingbar zu verstehen, dass es gute innere Gründe gibt, warum sich der Patient gerade so verhält wie er es eben tut. Die verinnerlichten Beziehungserfahrungen aufgrund seiner Lebensgeschichte gestalten das Verhalten und die Beziehung in der Gegenwart. Dass in der Beziehung zur Therapeutin die Beziehungserfahrungen reproduziert werden, wenn auch in verzerrter Form, stellt eine der zentralen Entdeckungen Freuds dar. Die Anerkennung dieser Tatsache führt zu einer zuhörenden Haltung und die Therapeutin ist dazu angehalten, in eine innere Verfassung der sogenannten gleichschwebenden Aufmerksamkeit zu kommen. Im therapeutischen Prozess geht es dabei keinesfalls um krampfhaftes voreiliges verstehen, sondern um das Erlebbarmachen dieser Haltung. Gesagtes soll hierbei in der Therapeutin einen Platz finden und zumindest für eine Weile bewahrt werden. In der Analyse der Gegenübertragung können dabei innerlich Hypothesen gebildet werden, eigene Anteile reflektiert werden und vieles darf nebeneinander stehen bleiben. Eigene Übertragungseinstellungen treten in den Hintergrund, wobei man sie gleichzeitig wachhalten muss. Mit der Bewusstwerdung über eigene Anteile, oder eigene Beziehungsannahmen im Zuge der Lehranalyse, beziehungsweise psychoanalytisch orientierten Selbsterfahrung, kann diese Voraussetzung für psychoanalytisches Arbeiten erlangt werden. Nur dies ermöglicht es, die in der therapeutischen Beziehung entwickelten Bilder, Gedanken und affektiven Einstellungen daraufhin zu untersuchen, ob sie im Wesentlichen aus eigenen Wünschen und Bedürfnissen herstammen oder ob sie nicht vielmehr als emotionale Antworten auf diejenigen Wünsche und Bedürfnisse zu verstehen sind, die vom Patienten an die eigene Person herangetragen werden.
Allmählich kann sich dann im therapeutischen Prozess ein Verständnis über die Schwierigkeiten des Patienten entwickeln. Hierbei ist es für die gesamte Behandlung entscheidend, das offenkundig Sichtbare und mit gesundem Menschenverstand Nachvollziehbare, nicht als die eigentliche Wurzel, den letzten Grund des Fühlens, Denkens und Verhaltens des Patienten zu verstehen. Wiederum gilt es die unbewussten Motivationen unter anderem mit Hilfe der Gegenübertragung zu ermitteln und mehr und mehr zu erschließen. Anders als in der Alltagskommunikation üblichen Reaktion und Antwort auf Mitteilungen des Gesprächspartners, wird in der psychoanalytisch orientierten Psychotherapie dies in der Regel ganz bewusst unterlassen und die Kommunikation unterscheidet sich insofern auch eindeutig und spezifisch von jeder anderen Form der alltäglichen Kommunikation.
Aufgabe der Therapeutin ist es dabei die emotionalen Antworten auf die Übertragung in der Therapie auszuhalten und umzuwandeln. In der Umwandlung wird auch die Bedeutung dieses Prozesses für den therapeutischen Verlauf und die Entwicklung des Patienten deutlich. Ähnlich dem Prozess zwischen einer Mutter und einem Baby kann diese seelische Umwandlungsfunktion verstanden werden. Weil das Baby gewisse Erfahrungen (noch) nicht seelisch verarbeiten kann, braucht es dabei die Hilfe der Mutter welche die inneren Zustände wie z.B. Erfahrungen von Schmerz, Angst, Enttäuschung, Wut, Gier, Neid, Ohnmacht aber auch Wohlbefinden und Freude an sich selbst erlebt und mitfühlt. Dabei gibt sie die zunächst „unverdaulichen“ Eindrücke in einer verträglichen, zuordenbaren Form an das Baby zurück, sodass dieses die erlebten Zustände und Gefühle allmählich verdauen kann. In der Therapie werden dabei mit Hilfe von Wort und Sprache die zunächst für den Patienten unzugänglichen Gefühle im Zuge der Gegenübertragung deutlich und in einer umgewandelten Form für den Patienten bewusst gemacht. Dadurch stellt die Gegenübertragung in jeder psychotherapeutischen Begegnung ein unvermeidliches Element und zugleich ein einzigartiges therapeutisches Werkzeug dar.
Literaturverzeichnis
Diercks, Michael (2018): Übertragung und Gegenübertragung. In: W. Burian / B.
Grossmann-Garger (Hg.), Psychoanalytisch orientierte Psychotherapie, Band III:
Klinik. Wien: Mandelbaum.
Bettighofer, Siegfried (2004): Übertragung und Gegenübertragung im
therapeutischen Prozess. 3. Auflage. In: Wolfgang Mertens (Hg.), Psychoanalytische
Behandlung. Stuttgart: Kohlhammer.
Laplanche, Jean; Jean-Bertrand, Pontalis (1986): Das Vokabular der Psychoanalyse.
Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Gegenübertragung
Im Folgenden möchte ich in einer kurzen Abhandlung das Konzept der Gegenübertragung darstellen und knapp umreißen. Zugunsten der Lesbarkeit verzichte ich im Text auf die Formulierung beider Geschlechter und werde die männliche und weibliche Form abwechselnd verwenden, wobei immer beide Varianten gemeint sind.
Es ist unumgänglich, dass in jeder Begegnung Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomene stattfinden. Abseits der Therapie finden sie in jeder Lebenslage und in allen Beziehungen ihren Ausdruck. Diese Vorgänge sind unserem Bewusstsein vorrangig nicht zugänglich und laufen prinzipiell unbewusst ab. Darum können sie nie vollständig abgebildet werden. Sie sind quasi Zeichen und Hinweise aus unserer inneren Wahrnehmung, die es zu erforschen gilt und im therapeutischen Kontext von besonderer Bedeutung sind. Obwohl der Begriff der „Gegenübertragung“ somit als Phänomen nur begrenzt erschlossen werden kann und auch nicht vollständig abgegrenzt werden kann, so lässt er sich zumindest gut beschreiben: Kurzgefasst stellt die Gegenübertragung die Gesamtheit der unbewussten Reaktionen der Therapeutin auf den Patienten und insbesondere dessen Übertragung dar. Mit Gegenübertragung ist also vor allem die Reaktion der Therapeutin auf die Übertragung des Patienten gemeint. Es handelt sich hierbei um die emotionale Antwort und damit wiederum um das Richten der eigenen Gefühle, Vorurteile, Erwartungen und Wünsche auf den Patienten. In der Therapie kann die Gegenübertragung als einzigartiges therapeutisches Werkzeug verstanden und genutzt werden.
In der Geschichte der Psychoanalyse wusste Sigmund Freud sehr bald um die Bedeutung der Übertragung und Gegenübertragung. In seinen technischen Schriften spricht er dabei die zentralen Eckpfeiler der Psychoanalyse an: die Analyse des Widerstandes, die Analyse der Übertragung und die freie Assoziation.
In der psychoanalytischen Behandlung nennt man alles was sich dem Zugang des Unbewussten entgegenstellt „Widerstand“, bezogen auf die Handlungen und Worte des Analysanden. Freud hat hier auch von Widerstand gegen die Psychoanalyse gesprochen und so die Oppositionshaltung gegen deren Entdeckungen verdeutlicht. Im Verlauf der Geschichte hat er auf die anfängliche Technik der Hypnose und Suggestion vor allem deshalb verzichtet, weil ihm der Widerstand gegen diese Methoden einerseits legitim erschien und auch weil er dadurch weder gedeutet noch überwunden werden konnte. Somit war kein Fortschreiten in der Behandlung möglich. Freud versuchte vorerst den Gegenspieler zum Widerstand einzusetzen. Einerseits mit dem Versuch der Beharrlichkeit und andererseits versuchte er den Widerstand durch Überredung zu überwinden, bevor er erkannte, dass er mit der Analyse des Widerstandes einen Zugang zum Verdrängten und zum Geheimnis der Neurose bekommen konnte. Mit Hilfe der freien Assoziation als technisches Mittel soll der Zugang zum Unbewussten erforscht werden. Die Analyse der Übertragung und Gegenübertragung ist dabei von entscheidender Bedeutung, da es uns etwas über das Gegenüber verrät. Die verinnerlichte, aber unbewusst gewordene Vergangenheit des Patienten wird in der Beziehung wieder lebendig und sichtbar.
Um darauf ausführlich einzugehen, möchte ich noch etwas ausholen und dieses zentrale behandlungstechnische Konzept näher beleuchten. Dabei darf auch der Begriff der Übertragung selbstverständlich nicht ohne Erläuterung bleiben. Das eine lässt sich nicht ohne das andere denken und muss somit in angemessener Weise Beachtung finden. Denn bevor es zu einer Gegenübertragung kommt, überträgt das Gegenüber die Muster der verinnerlichten Beziehungserfahrungen aus früheren Zeiten auf die neue, aktuelle soziale Situation (Übertragung). So wird unausweichlich jede Beziehung zu einem anderen von diesen früheren Beziehungsmustern geprägt und mitgestaltet und dies in einer meist völlig unbewussten Art und Weise.
Das bedeutet vor allem, dass es sich in der Therapie um einen dynamischen und emotionalen Prozess handelt, an dem Therapeutin und Patient beteiligt sind. Dieser Prozess ist immer in eine sehr individuelle und einmalige Beziehung eingebettet. Die psychoanalytische Theorie und Methode, sowie deren Konzepte können somit nur situationsbedingt angewendet werden und dienen als Orientierungshilfe im Fluss der emotionalen Bewegung, die die Übertragungsentwicklung kennzeichnet.
Wichtig zu verstehen ist dabei, dass psychoanalytisches Denken dialektisch ist, Widersprüche einschließt und sie nicht aufheben will. Es geht nicht um das Erreichen eines Ziels, sondern viel mehr um die Erweiterung eines Erlebnisbereichs. Hierbei ist die Lehranalyse bzw. Lehrtherapie in der Ausbildung zur psychoanalytisch orientierten Psychotherapeutin von wesentlicher Bedeutung. Durch die Erfahrung und das Durcharbeiten der eigenen vorhandenen Konflikte, Widersprüche, Themen, Wünsche und die zahlreichen anderen unbewussten Vorgänge, können eigene Anteile und Beziehungsannahmen bewusst gemacht werden und in angemessener Art und Weise reflektiert werden. Es ist ebenso eine Erfahrung der Begrenztheit, der Beschränkung auf Weniges, das veränderbar ist.
„Wenn ich mich als Analytiker [psychoanalytisch orientierter Psychotherapeut] so einstelle, als ob ich dem Analysanden [Patienten] konfliktfrei gegenübertreten könne, während der Analysand [Patient], im Gegensatz zu mir und infolge seiner Neurose, voller Konflikte erscheint, ist es um die Dynamik geschehen“ (Morgenthaler, 1991).
Folglich kann sich weder der Patient noch der Psychotherapeut dem Einfluss des Gegenübers gänzlich entziehen. In gleicher Weise ist es unabdingbar zu verstehen, dass es gute innere Gründe gibt, warum sich der Patient gerade so verhält wie er es eben tut. Die verinnerlichten Beziehungserfahrungen aufgrund seiner Lebensgeschichte gestalten das Verhalten und die Beziehung in der Gegenwart. Dass in der Beziehung zur Therapeutin die Beziehungserfahrungen reproduziert werden, wenn auch in verzerrter Form, stellt eine der zentralen Entdeckungen Freuds dar. Die Anerkennung dieser Tatsache führt zu einer zuhörenden Haltung und die Therapeutin ist dazu angehalten, in eine innere Verfassung der sogenannten gleichschwebenden Aufmerksamkeit zu kommen. Im therapeutischen Prozess geht es dabei keinesfalls um krampfhaftes voreiliges verstehen, sondern um das Erlebbarmachen dieser Haltung. Gesagtes soll hierbei in der Therapeutin einen Platz finden und zumindest für eine Weile bewahrt werden. In der Analyse der Gegenübertragung können dabei innerlich Hypothesen gebildet werden, eigene Anteile reflektiert werden und vieles darf nebeneinander stehen bleiben. Eigene Übertragungseinstellungen treten in den Hintergrund, wobei man sie gleichzeitig wachhalten muss. Mit der Bewusstwerdung über eigene Anteile, oder eigene Beziehungsannahmen im Zuge der Lehranalyse, beziehungsweise psychoanalytisch orientierten Selbsterfahrung, kann diese Voraussetzung für psychoanalytisches Arbeiten erlangt werden. Nur dies ermöglicht es, die in der therapeutischen Beziehung entwickelten Bilder, Gedanken und affektiven Einstellungen daraufhin zu untersuchen, ob sie im Wesentlichen aus eigenen Wünschen und Bedürfnissen herstammen oder ob sie nicht vielmehr als emotionale Antworten auf diejenigen Wünsche und Bedürfnisse zu verstehen sind, die vom Patienten an die eigene Person herangetragen werden.
Allmählich kann sich dann im therapeutischen Prozess ein Verständnis über die Schwierigkeiten des Patienten entwickeln. Hierbei ist es für die gesamte Behandlung entscheidend, das offenkundig Sichtbare und mit gesundem Menschenverstand Nachvollziehbare, nicht als die eigentliche Wurzel, den letzten Grund des Fühlens, Denkens und Verhaltens des Patienten zu verstehen. Wiederum gilt es die unbewussten Motivationen unter anderem mit Hilfe der Gegenübertragung zu ermitteln und mehr und mehr zu erschließen. Anders als in der Alltagskommunikation üblichen Reaktion und Antwort auf Mitteilungen des Gesprächspartners, wird in der psychoanalytisch orientierten Psychotherapie dies in der Regel ganz bewusst unterlassen und die Kommunikation unterscheidet sich insofern auch eindeutig und spezifisch von jeder anderen Form der alltäglichen Kommunikation.
Aufgabe der Therapeutin ist es dabei die emotionalen Antworten auf die Übertragung in der Therapie auszuhalten und umzuwandeln. In der Umwandlung wird auch die Bedeutung dieses Prozesses für den therapeutischen Verlauf und die Entwicklung des Patienten deutlich. Ähnlich dem Prozess zwischen einer Mutter und einem Baby kann diese seelische Umwandlungsfunktion verstanden werden. Weil das Baby gewisse Erfahrungen (noch) nicht seelisch verarbeiten kann, braucht es dabei die Hilfe der Mutter welche die inneren Zustände wie z.B. Erfahrungen von Schmerz, Angst, Enttäuschung, Wut, Gier, Neid, Ohnmacht aber auch Wohlbefinden und Freude an sich selbst erlebt und mitfühlt. Dabei gibt sie die zunächst „unverdaulichen“ Eindrücke in einer verträglichen, zuordenbaren Form an das Baby zurück, sodass dieses die erlebten Zustände und Gefühle allmählich verdauen kann. In der Therapie werden dabei mit Hilfe von Wort und Sprache die zunächst für den Patienten unzugänglichen Gefühle im Zuge der Gegenübertragung deutlich und in einer umgewandelten Form für den Patienten bewusst gemacht. Dadurch stellt die Gegenübertragung in jeder psychotherapeutischen Begegnung ein unvermeidliches Element und zugleich ein einzigartiges therapeutisches Werkzeug dar.
Literaturverzeichnis
Diercks, Michael (2018): Übertragung und Gegenübertragung. In: W. Burian / B.
Grossmann-Garger (Hg.), Psychoanalytisch orientierte Psychotherapie, Band III:
Klinik. Wien: Mandelbaum.
Bettighofer, Siegfried (2004): Übertragung und Gegenübertragung im
therapeutischen Prozess. 3. Auflage. In: Wolfgang Mertens (Hg.), Psychoanalytische
Behandlung. Stuttgart: Kohlhammer.
Laplanche, Jean; Jean-Bertrand, Pontalis (1986): Das Vokabular der Psychoanalyse.
Frankfurt am Main: Suhrkamp.